Alle
Macht der „Familie“ – der von Präsident Janukowitsch!
WINFRIED SCHNEIDER-DETERS (Die Presse)
Gastkommentar. Der Staatschef ist gerade dabei, ein totales
Machtmonopol in der Ukraine zu errichten. Das Nachsehen werden die Oligarchen
haben.
Die Zypern-Krise traf nicht nur
russische „Kapitalexporteure“; betroffen sind auch ukrainische
Steuerflüchtlinge. Allerdings gehört die Firma DTEK des reichsten der
ukrainischen Oligarchen, Rinat Achmetov, zu jenen 132 Gesellschaften, die (laut
griechischer Sonntagszeitung „Proto Thema“) dank Insider-Kenntnis der
Bedingungen des EU-Hilfspakets ihre Einlagen vor der konfiskatorischen
Sondersteuer retten konnten.
Vor dem Kollaps seines Bankensystems war Zypern größter
„ausländischer“ Investor in der Ukraine: Ukrainische Geschäftsleute brachten
ihr Kapital auf Zypern (vor staatlichen Zugriffen) in Sicherheit und
reinvestierten es bedarfsweise in ihrer Heimat.
Seit der Machtübernahme von Präsident Viktor
Janukowitsch im Februar 2010 existierte eine „oligarchische Balance“ im
Regierungsapparat. Sie wurde nach der Parlamentswahl vom Oktober 2012 durch ein
System persönlicher Loyalitäten abgelöst. Janukowitsch regiert nun mit einem
Ministerkabinett ihm persönlich nahestehender Personen, zu denen vor allem
Freunde seines ältesten Sohnes Oleksandr („Sascha“) gehören, die sich als
„Jungreformer“ verstehen.
Neuer Clan: „Saschas Freunde“
„Saschas Freunde“ bilden den Nukleus eines neuen
oligarchischen „Clans“, für den sich die Bezeichnung „Familie“ eingebürgert
hat. Zwar bleibt Mykola Azarov Premier, doch stellte Janukowitsch ihm einen
„Freund“ seines Sohnes als ersten stellvertretenden Premier zur Seite: Serhij
Arbuzov, bis dato Vorsitzender der Zentralbank.
Noch teilen sich die Angehörigen der „Familie“ die Macht
mit den Statthaltern von Rinat Achmetov in der Regierung. Allerdings scheint
der einstige Patron von Janukowitsch als Geschäftspartner der „Familie“ bei der
Privatisierung staatlicher Betriebe mit im Boot zu sein. Unter den vielen
dubiosen Figuren im neuen Ministerkabinett sind zwei besonders beachtenswert:
Eduard Stawizkij, bis dato Umweltminister, löste Jurij Bojko als Energieminister
ab. Bojko, der die Interessen der „Gas-Lobby“ des Oligarchen Dmitro Firtasch
vertritt, avancierte zum stellvertretenden Premier. Bojko ist vermutlich der
„Familie“ geschäftlich verbunden.
Der neue Energieminister Stawizkij soll in Janukowitschs
zweiter Amtszeit als Premier (2007) der zentrale Akteur bei der dubiosen
Privatisierung von „Meschyhirja“ gewesen sein, einem 140 Hektar großen Anwesen
nördlich von Kiew, das sich – über eine Kette von Offshore-Gesellschaften – im
Besitz von Janukowitsch befindet. Janukowitsch ließ das dortige ehemalige
Gästehaus des ZK der KP der Ukraine auf Kosten des Staates in eine luxuriöse
Residenz („Klein-Versailles“) umbauen.
Wie alle prominenten ukrainischen Politiker, die nicht
als Eigentümer von Immobilien identifiziert werden wollen, versteckte
Janukowitsch seinen Besitz hinter Strohfirmen im Ausland. Bei der
Verschleierung der Aneignung dieser staatlichen Immobilie spielte die in Kiew
registrierte Firma Technopromservis eine Rolle. Mitbegründerin dieser
ukrainischen Firma ist die britische Firma Navimex Ventures Ltd., deren
Miteigentümerin wiederum die notorische zypriotische Firma Fynel Ltd. ist.
Der investigative Journalist Serhij Leschtschenko deckte
die Verbindungen zwischen der „im Interesse von anonymen Kunden“ gegründeten
und in Österreich registrierten Euro East Beteiligungsgesellschaft mbH und der
Firma Management Assets Corporation (MAKO) von Oleksandr Janukowitsch auf. Die
aufgezeigten Verbindungen würden illegale Machenschaften nicht beweisen,
kommentierte er vorsichtig. Sie bewiesen nur, dass ukrainische Politiker (und
Beamte) Dienste von Leuten in Anspruch nehmen, die zu Reichtum gekommenen
Leuten in der früheren UdSSR dabei helfen, Vermögen zu verstecken, und Steuern
zu hinterziehen.
Kontrolle über Staatsfinanzen
Mit seiner „Kaderpolitik“ hat Janukowitsch der „Familie“
die Kontrolle über die staatlichen Finanzen und über die „staatliche“
Sicherheit verschafft. Zur „Familie“ gehören Innenminister Vitalij
Zachartschenko und der neue Chef des inländischen Geheimdienstes, Oleksandr
Jakimenko. Mit „Saschas Freund“ Klimenko an der Spitze des Ministeriums für
Steuern und sonstige Abgaben kontrolliert die „Familie“ den größten Teil des
Flusses staatlicher Einnahmen.
Und mit Jurij Kolobov als Finanzminister und Ihor Sorkin
als Gouverneur der Zentralbank bestimmen zwei weitere Angehörige der „Familie“
die Haushalts- und Währungspolitik des Landes.
Nach seinem Amtsantritt als Präsident hatte Janukowitsch
alle „oligarchischen Clans“, die seinen Wahlkampf finanziell und medial
unterstützt hatten, ausgewogen mit Pfründen versorgt. Doch nun drängt
Janukowitsch selbst in den Kreis der Oligarchen.
Das Dilemma der Oligarchen
Während der frühere Präsident Leonid Kutschma in
neo-feudaler Manier den Oligarchen gegen Loyalität und Finanzierung seiner
Wahlkämpfe die Lizenz zur Privatisierung staatlicher Unternehmen erteilte,
fordert Janukowitsch von ihnen für privilegierte Privatisierung einen Anteil
für die „Familie“; die Oligarchen müssen nun teilen.
Da die ukrainische Wirtschaft nicht wachse, ausländische
Investitionen ausblieben, und das Land über keine (erschlossenen) natürlichen
Ressourcen verfüge, sei Reichtumsvermehrung nur auf Kosten der Oligarchen
möglich – und zwar durch kriminelle Unternehmensübernahmen, argumentiert der
Ukraine-Kenner Taras Kuzio. Unternehmer klagten, der Präsidentensohn verdränge
sie, berichtet der schwedische Wirtschaftswissenschaftler und Ukraine-Experte
Anders Åslund.
Die Oligarchen sehen sich heute mit einem Dilemma
konfrontiert: Einerseits können sie eine Rückkehr der heutigen Opposition,
namentlich Julija Timoschenkos, an die Macht nicht wünschen. Andererseits
gefährdet Janukowitschs Verbleib an der Macht ihre Interessen. Denn die
„Familie“ greift nach ihrem Vermögen.
Mittel zur Erpressung
Gefahr drohe dem Regime Janukowitsch deshalb nicht von
„der Straße“, nicht von einem Aufstand der Bevölkerung, meint Åslund, fürchten
müsse der Staatschef vielmehr die Oligarchen. Gegen sie – viel mehr als gegen
„das Volk“ – richte sich die Unterwerfung der bewaffneten Organe und der
Finanzinstitutionen des Staates unter seine persönliche Kontrolle.
Mit allen Finanzbehörden des Staates in der Hand seiner
„Familie“ hat Janukowitsch die Mittel zur Verfügung, um die Oligarchen zu
erpressen. Mit allen staatlichen „Gewaltorganen“ unter seinem Kommando kann er
seinen Ansprüchen an die Oligarchen den nötigen Nachdruck verleihen.
Ihr
Interesse aber, zu verhindern, dass Janukowitsch und seine „Familie“ ein
totales Machtmonopol in der Ukraine errichten können, macht die verfemten
Oligarchen vor der nächsten Präsidentschaftswahl 2015 zu potenziellen
Verbündeten der OppositionSource: http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/1388818/Alle-Macht-der-Familie-der-von-Praesident-Janukowitsch
No comments:
Post a Comment